Manchmal frage ich mich…

…wie sich ein Hund wohl entwickelt hätte, wenn ich das Mensch-Hund-Team von Anfang an begleitet hätte – und nicht erst, wenn der Hund bereits als „Problemhund“ gilt, zig Trainingsmethoden ausprobiert wurden und Mensch wie Hund am Rande der Verzweiflung stehen.

 

Ich bin oft der fünfte, sechste oder sogar achte Hundetrainer, der gerufen wird. Das ist kein Vorwurf an die Halter – viele wissen einfach nicht, woran sie eine gute Trainerin oder einen guten Trainer erkennen sollen. Und leider gibt es nach wie vor viele Trainingsansätze, die auf den ersten Blick logisch oder hilfreich wirken, dem Hund aber langfristig schaden – körperlich wie emotional.

 

Wenn Methoden mehr schaden als helfen

Hier ein paar Beispiele für Trainingsansätze, die mir immer wieder begegnen – meist mit traurigen Folgen:

  1. „Mit dieser Leine geht er super!“
    Viele Hundebesitzer erzählen mir stolz, dass ihr Hund mit der „Trainingsleine“ ganz brav geht. Bei näherem Hinsehen handelt es sich oft um eine sogenannte Zugstoppleine mit integriertem Halsband – allerdings ohne echten Zugstopp oder mit viel zu engem Umfang. Das Resultat: Der Hund wird gewürgt. Ja, dadurch läuft er „schön“. Aber nicht, weil er gelernt hat, wie Leinenführigkeit funktioniert – sondern weil er Schmerz vermeiden möchte. Dasselbe gilt für Geschirre mit zu dünnen Riemen, die bei Zug in die Haut schneiden. Das ist tierschutzrelevant, kein Training.
  2. Training nur über Körpersprache
    Ein vermeintlich „moderner“ Ansatz: Der Mensch soll sich einfach körpersprachlich durchsetzen. Das Problem: Viele Hunde empfinden diese Art des Trainings als bedrohlich. Wer mit starrem Blick, schnellen Bewegungen und Druck arbeitet, erzeugt oft Angst und Unsicherheit – nicht Respekt. Vor allem sensible Hunde ziehen sich zurück, vermeiden Blickkontakt oder frieren ein – was oft fälschlich als „Erfolg“ gedeutet wird.
  3. „Beziehung statt Bestechung“
    Ein weiteres Märchen: Ein guter Hund folgt aus purer Liebe. Belohnungen seien Bestechung, das zerstöre die Beziehung. Fakt ist: Hunde lernen durch Konsequenzen. Positive Verstärkung (z.B. durch Futter) ist ein bewährter Bestandteil modernen Trainings – ohne sie bleibt der Hund im Unklaren, welches Verhalten gewünscht ist. Nur auf „Bindung“ zu setzen widerspricht jeder Lerntheorie.
  4. Flooding: „Da muss er durch!“
    Ein besonders gefährlicher Ansatz ist das sogenannte Flooding. Der Hund wird gezielt über seine Reizschwelle gebracht – z.B. in eine angstauslösende Situation gezwungen – in der Hoffnung, dass er „lernt, dass nichts passiert“. Das Gegenteil ist oft der Fall: Der Hund lernt, dass er keinen Ausweg hat, entwickelt erlernte Hilflosigkeit und verliert jegliches Vertrauen in seinen Menschen.
  5. Ignorieren als Allheilmittel
    „Nicht beachten beim Heimkommen“, „nicht ansehen, wenn er bellt“ – Ignorieren ist ein beliebtes Mittel, um unerwünschtes Verhalten zu löschen. Doch gerade beim Heimkommen wird Beziehung aufgebaut. Den Hund zu ignorieren, weil ein Trainer das empfohlen hat, kann verletzen. Manche Hunde ziehen sich dadurch noch mehr zurück oder suchen Aufmerksamkeit durch Problemverhalten.
  6. Kontaktverbot zu anderen Hunden
    Aus Angst vor Fehlverhalten oder „dominantem Verhalten“ verbieten viele Trainer den sozialen Kontakt zu Artgenossen – entweder komplett oder immer an der Leine. Doch Hunde sind soziale Wesen. Fehlt der Kontakt, lernen sie keine Hundesprache, können Konflikte nicht einordnen oder angemessen reagieren. Das Resultat: Unsicherheit, Überforderung, Leinenaggression.
  7. Schlecht moderierte Welpengruppen
    Auch der Start ins Hundeleben kann schiefgehen: In nicht ausreichend geführten Welpengruppen werden kleinere oder ruhigere Welpen gemobbt oder überrannt. Wer als Welpe negative Erfahrungen macht, startet mit Unsicherheit und Misstrauen ins Hundeleben.

Wahre Geschichten aus meinem Alltag

Lilly, Australian Shepherd, 7 Jahre
Ich war ihr achter Hundetrainer. Das Ziel: entspannte Hundebegegnungen und bessere Leinenführigkeit. Vorher hatte man alles versucht – meist mit viel Druck. Mit mir reichten zwei Trainingsstunden, um erste echte Fortschritte zu sehen. Weil wir uns endlich mit dem „Warum“ hinter dem Verhalten beschäftigt haben.

Ben, Staff-Rüde, 4 Jahre
Der vorherige Trainer meinte, Ben habe ein Beziehungsproblem. Die Lösung: gemeinsame Hobbys wie Longieren oder Agility. Hundebegegnungen wurden nicht trainiert. Nach drei Terminen mit mir waren die Spaziergänge entspannter – weil wir verstanden haben, was Ben stresst, und wie man ihm helfen kann.

Mira und Shadow, Schäferhunde
Sie wurden mit einer sogenannten Trainingsleine geführt – dabei wurde Mira so stark eingeschüchtert, dass sie nur noch winselnd nebenher lief. Shadow entwickelte eine Leinenaggression, weil er den Druck nicht aushielt. Wir haben diese Leine verbannt, die Ursachen erarbeitet – und langsam kehrte Lebensfreude und Kontrolle zurück.

Tom, Staff-Mix, 6 Jahre
Ab dem 6. Monat durfte er keinen Kontakt mehr zu anderen Hunden haben – weil man Angst vor Aggression hatte. Das Resultat: massive Leinenaggression. Mit gezieltem Training, Individualdistanz und positiver Verknüpfung konnte Tom wieder entspannte Spaziergänge genießen.

Emmi, Bracken-Mix, 8 Jahre
Sie hatte panische Angst vorm Tierarzt und Krallenschneiden. Bis dato wurde sie immer festgehalten oder gezwungen. Mit Training, Vertrauen und Geduld konnten wir Kooperationssignale aufbauen – und plötzlich war alles halb so schlimm.

Fritzi, Zwergpinscher, 4 Jahre
Bellte alles und jeden an. Die Empfehlung eines früheren Trainers: „brechen Sie sie mit harter Hand.“ Zum Glück hörte der Halter auf sein Bauchgefühl und suchte Hilfe. Fritzi war einfach unsicher, wurde ständig bedrängt – und reagierte mit Aggression. Mit Rücksicht auf ihre Bedürfnisse wurde das Verhalten schnell besser.

Pina, Viszla-Hündin, 3 Jahre
Zeigte starke Aggression bei Hundebegegnungen. Der erste Trainer empfahl: Schimpfen, Körpersprache, Leinenruck. Die Folge: Pina hatte Angst vorm Halter und keine Orientierung. Als wir Beziehung, Vertrauen und Verständnis aufbauten, konnte sie sich endlich entspannen.

 

Was macht einen guten Hundetrainer*in aus?

Es ist für Laien schwer, Qualität zu erkennen – besonders, wenn man mit dem Thema Hundeverhalten nicht tief vertraut ist. Deshalb hier ein paar Orientierungshilfen: 

  • Ein guter Trainer arbeitet gewaltfrei und nach modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

  • Er erklärt nicht nur, was zu tun ist, sondern auch, warum.

  • Er sieht den Hund als Individuum – nicht als „dominant“, „stur“ oder „unerzogen“.

  • Er gibt keine Patentlösungen, sondern passt das Training an Hund und Mensch an.

  • Er hört zu, fragt nach, arbeitet empathisch und transparent.

  • Er trainiert nicht nur auf dem Hundeplatz, sondern im Alltag.

Misstraue Methoden, bei denen du dich unwohl fühlst. Wenn dein Bauchgefühl „Nein“ sagt, dann hör hin. Training sollte aufbauen, nicht zerstören.

 

Warum rechtzeitige Hilfe so wichtig ist

Viele Probleme entstehen nicht über Nacht – sondern durch Missverständnisse, schlechte Ratschläge oder fehlende Aufklärung. Wer frühzeitig Unterstützung holt, erspart sich oft jahrelangen Stress, Leidensdruck – und dem Hund ein Leben voller Unsicherheit oder Überforderung.

Manchmal denke ich, wie anders ein Hund heute wäre, wenn ich ihn schon als Welpe kennengelernt hätte. Aber es ist nie zu spät – wirklich nie.

 

 

Wenn du merkst, dass du in der Beziehung zu deinem Hund anstehst – egal ob bei kleinen Unsicherheiten oder großen Problemen – dann hol dir Hilfe. Nicht erst, wenn du kurz davor bist, deinen Hund abzugeben.

 

Denn oft braucht es nur ein bisschen Verständnis, Wissen und Unterstützung – um aus Verzweiflung wieder Freude werden zu lassen.